Ein Geschichten-Erzähler wird zur Stadtgeschichte
In einer kleinen Feierstunde während der Ratssitzung am 26. Juni wurde Walter Jordan, eines der bekanntesten Gesichter und Persönlichkeiten in Bergneustadt, mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt ausgezeichnet. Bürgermeister Matthias Thul betonte, dass diese Auszeichnung ohne jegliche Diskussion erfolgte, „obwohl Walter in Reichshof wohnt“, wie Thul schmunzelnd ergänzte. Der Stadtrat hatte den einstimmigen Beschluss zu dieser Ehrung gefasst. Es ist erst die siebte Auszeichnung zum Ehrenbürger, die die Stadt Bergneustadt in seiner Stadthistorie verleihen hat.
Walter Jordan, der mittlerweile 73 Jahre alt ist, trat Ende Juli in den verdienten Ruhestand und beendete seine Funktion beim Heimatverein als Museumsleiter des Neustädter Heimatmuseums. Es sei keine Ehrung zum Abschied, sondern eine längst überfällige, betonte Bürgermeister Matthias Thul in seiner Laudatio.
"Wenn in Bergneustadt über die Vergangenheit der Feste gesprochen wird oder Fragen auftauchen, wie vor hunderten Jahren die Stadt ausgesehen haben mag, wandern alle Blicke in Richtung von Walter Jordan“, so Bürgermeister Matthias Thul in seiner Laudatio. „Das liegt jetzt nicht daran, dass er alles persönlich erlebt hat, sondern vielmehr liegt es daran, dass niemand die Geschichte der Stadt aber eben auch die Geschichten in der Stadt besser kennt als Walter.“ Nicht umsonst sei er vielen als der Geschichten- und Märchenerzähler als „Ali Ben Juffi “ bekannt. „Das ist das Ergebnis des jahrelangen Engagements in der Stadt und für die Stadt und ihre Einwohner.“
Bereits Anfang der 70er war Walter Jordan in der Stadt unterwegs. Zunächst in einem roten Mini zur Auslieferung von Blumen der Gärtnerei Krumme, später dann mit dem ehemaligen Schulzahnarztwagen des Oberbergischen Kreises – einem Hanomag mit Blumenkasten an der hinteren Tür. „Aus seinen Erzählungen konnte ich schließen, dass er zu dieser Zeit der Traumschwiegersohn vieler Mütter gewesen war. Denn immerhin hatte er einen Führerschein, ein Auto, trank keinen Alkohol und brachte die Damenwelt so immer sicher nach Hause. Hinzu kam natürlich sein überaus gutes Aussehen“, schmunzelte Thul bei seiner Rede.
Walter sei vielseitig wie auch sein Engagement. Da war beispielsweise die Initiative für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum in der Villa Schildbach auf dem Bursten. Dies würde man heute offene Kinder- und Jugendarbeit nennen. Unvergessen ist auch der erste Trödelmarkt in der Jugendvilla mit seinem ersten offiziellen Auftritt als „Ali Ben Juffi“. Überhaupt hatten es die Altertümchen Walter angetan, so dass er in den ehemaligen Praxisräumen des Zahnarztes Karl Jülich, nach dem dieser von der Hauptstraße neben der Gaststätte Biesterfeld in den Neubau in der Talstraße gezogen war, den ersten Trödelladen eröffnete. In dieser Zeit war er auch als freiberuflicher Dozent in der Friedrich-Ebert-Stiftung engagiert. „Im neuen selbstverwalteten Jugendzentrum im Keller des Bürgersaals war er ebenfalls zu finden und brachte sich intensiv ein. Das alles war Anfang bis Mitte der 70er Jahre“, so der Bürgermeister.
Ende der 70er mietete sich Walter Jordan gemeinsam mit Hubertus Dan im „Haus Clarenbach“ in der Altstadt ein. Hubertus Dan betrieb dort eine Buchhandlung und Walter eine Teestube. „Etwa zeitgleich gründete der damalige Lehrer Dr. Ulrich Fleischhut eine Theaterschule am Wüllenweber-Gymnasium“, referierte Thul weiter. „Walter war natürlich von Beginn an dabei und übernahm nach dem Rückzug von Dr. Fleischhut die Theaterschule und gründete das Losemund-Theater als freies Theater. Bis heute ist das Losemund- Theater bekannt und außerordentlich erfolgreich. Eine echte und nachhaltige Bereicherung für unsere Stadt.“
In den 80er und 90er Jahren war Jordan nicht weniger aktiv. In diese Zeit fällt die Organisation zahlreicher Folk-Konzerte zusammen mit Michael „Mike“ Kamp. Der Betrieb des Kolonialwarenladens an der B55, wo Tee, Gewürze, aber auch „Heidesand“, ein köstliches Teegebäck aus Mürbeteig, verkauft wurden.
Nachdem die Teestube erfolgreich eröffnet wurde, widmete sich Walter neuen Projekten, allen voran den mittelalterlichen Märkten mit ‚Kramerey und Kurtzweyl‘. Als orientalischer Händler in Kaftan mit Turban hatte er einen wunderschönen Stand mit Gewürzen, Tee und anderen Spezialitäten auf den mittelalterlichen Märkten in ganz Deutschland. Unvergessen ist dabei sein Verkauf der „Rose von Jericho“. Das waren ausreichend Projekte, die er erfolgreich über viele Jahre betrieb und sich auch so einen Namen machte als jemand, der kreative Ideen hat und vor allem auch erfolgreich umsetzte.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Stadt ihn mit der Aufgabe betraute, die 700-Jahr-Feier im Jahr 2001 zu organisieren. Das war eine Mammutaufgabe und die Bergneustädter erinnern sich sehr gerne an dieses wunderbare Fest. „Es war einmalig und wäre ohne Walter nicht umsetzbar gewesen. Es war ein Fest, das in die Geschichte der Stadt eingegangen ist!“
Von 2004 bis 2008 eröffnete Walter „Jordans Gasthaus“ im alten Rathaus und bereicherte die Gastronomielandschaft in Bergneustadt. Die Krönung seines inzwischen 55-jährigen Schaffens ist die Leitung des Heimatmuseums gewesen. Seit 2008 ist er Museumsdirektor des Heimatmuseums und hat dort neben der großartigen Ausstellung vor allem mit seinem Wissen, seinem Witz und Engagement unvergleichliche Veranstaltungen und Momente geschaffen. Gleichzeitig zuständig für den Tourismus in der Stadt hat er das Image von Bergneustadt maßgeblich geprägt.
„Während dieser Zeit gelang ihm ein weiterer Coup“, so Thul. „Die Idee der Einführung von Ehrenstandesbeamten, die an 365 Tagen im Jahr, quasi rund um die Uhr eine Heirat ermöglichen, war sensationell. Und mit ihm als Standesbeamten wird jede Trauung zu einem einzigartigen besonderen Erlebnis! Noch heute lache ich jedes Mal, wenn er mit seinem Auto an mir vorbeifährt auf dem groß geschrieben steht: ‚Kommt ins Museum, wenn ihr euch traut!‘ Rund 55 Jahre Engagement in der Stadt hat Walter auf dem Buckel. Diese Aufzählung ist keinesfalls vollständig. Walter inspirierte die Künstlerszene in Bergneustadt auf eine Weise, die ihresgleichen sucht.“
Walter hat alles an Auszeichnungen bekommen, was in dieser Stadt bislang möglich war. Der Stadtdukaten wurde ihm vor 20 Jahren verliehen und auch der Rheinlandtaler wurde ihm überreicht. „Dabei weiß ich ganz genau, dass Walter nie etwas getan hat, um Auszeichnungen oder Preise zu erhalten. Es war und ist immer eine selbstlose Motivation gewesen, die ihn angetrieben hat und bis heute antreibt.“ Auch Geld beziehungsweise finanzielle Anerkennung wäre für ihn nie entscheidend gewesen. Auch stehe er nicht gerne im Mittelpunkt. „Oft habe ich erlebt, dass er zwar gerne in seinen Rollen und mit seinem Schaffen die Aufmerksamkeit auf sich zieht, hinterher aber keine Lorbeeren ernten möchte. Das sehr geehrte Damen und Herren, nenne ich ‚Selbstlosigkeit in Reinform‘.“
Seit dem 1. August ist Jordan im wohlverdienten Ruhestand und hat seinen Posten als Museumsleiter in jüngere Hände gegeben. Er bleibt dem Heimatverein aber als Ehrenstandesbeamter erhalten und will auch Führungen anbieten.