„Heimat gibt es nicht auf Bestellung“
Artikel im "Bergneustadt im Blick" Ausgabe 823 vom 12.2.2025

Bergneustadt im Blick sprach mit dem Vorsitzenden des Heimatvereins „Feste Neustadt“, Utz Walter, über sein Wirken, das sich am 23. Februar 2025 zum 25. Mal jährt.
BiB: Wie sind sie zum Heimatverein gekommen und dort Vorsitzender geworden?
Walter: Ich war von 1988 bis 2001, also 13 Jahre lang, stellvertretender Vorsitzender im Schützenverein.
Das war der Beginn einer langen ehrenamtlichen Tätigkeit in Bergneustadt. Der damalige Sparkassendirektor Rams
war kurzzeitig Vorsitzender im Heimatverein und hat mich gebeten, die Nachfolge anzutreten.
Dieser Bitte bin ich gefolgt, habe aber deshalb das Amt bei den Schützen aufgegeben.
BiB: Herr Walter, Sie sind nun seit 25 Jahren Vorsitzender des Heimatvereins.
Welche Momente oder Projekte waren für Sie persönlich die bedeutendsten in dieser Zeit?
Walter: Das Wichtigste in den vergangen 25 Jahren war, eine Mannschaft von ehrenamtlichen Helfern für den Heimatverein zusammenzubringen und zusammenzuhalten.
Allein ist es nicht möglich, die vielfältigen Aufgaben für ein solches Museum zu meistern und man braucht eine ganze Schar von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Mein erstes Augenmerk legte ich deshalb darauf, Arbeitskreise zusammenzustellen und Aufgaben klar zuzuweisen.
Walter Köster, einer der Gründungsväter des Museums, agierte damals als Museumsleiter. Als er 2007 darum bat, aus Altersgründen abtreten zu dürfen,
war mein glücklichster Griff die Einstellung von Walter Jordan als Museumsleiter ab 2008. Er lebte für „sein“ Museum und hat viele Impulse gegeben.
Er war Vorbild, Mutter der Kompanie und eigentlich immer anwesend.
Die Ausstellung wurde behutsam überarbeitet, der Museumsbestand vollständig digitalisiert, und ein neues Büro eingerichtet und die alte Remise durch einen Neubau ersetzt.
Der Erwerb des Nachbarhauses eröffnet zusätzliche Erweiterungsmöglichkeiten.
BiB: Was bedeutet der Heimatverein für Bergneustadt und welche Rolle spielt das Heimatmuseum dabei als kultureller Treffpunkt?
Walter: Der Heimatverein ist ein Sammelort und Ansprechpartner für alle Leute, die in Bergneustadt etwas bewegen wollen.
Wir werden als Aushängeschild für Bergneustadt wahrgenommen, weil wir uns seit Jahrzehnten auch um die Zusammenarbeit aller Vereine bemühen,
wie zuletzt beim Nikolausmarkt oder demnächst beim Stadtgeburtstag.
Wir haben uns bei den Menschen einen Vertrauensvorschuss erarbeitet, was wichtig ist, wenn man Leute zum Mitmachen bewegen will.
Das Heimatmuseum ist deshalb auch für viele Bergneustädter ein Anlaufpunkt, wo man sich Rat und Hilfe holt und wo man auch mal ein Schwätzchen halten kann.
Ich sehe das als soziale Stadtteilarbeit für die Altstadt, die den Zusammenhalt fördert.
Durch Führungen im Museum, in der Altstadt oder im Eiskeller erfüllen wir touristische Aufgaben, bieten aber insbesondere auch Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit,
sich mit den Lebensumständen früherer Zeiten zu beschäftigen. Das ist Kulturarbeit im Kleinen. Schulen und Kindergärten nehmen dieses Angebot gerne an.
BiB: In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten hat sich vieles verändert. Welche Herausforderungen haben Sie in Ihrer Arbeit erlebt, und wie hat sich der Heimatverein weiterentwickelt?
Walter: Herausforderungen sind die zunehmenden bürokratischen Anforderungen an Vereine. Der 192-seitige Ratgeber des Finanzamts beschreibt die steuerlichen Pflichten,
denen unser Kassierer kaum noch ohne Steuerberater gerecht werden kann. Genehmigungen für Veranstaltungen und Förderanträge erfordern einen großen Aufwand.
Selbst ich als Volljurist verzweifle da oft.
Wir haben seit jeher finanzielle Sorgen. Spenden schwanken stark und der Mitgliederbestand altert schneller als uns lieb ist.
Die Stadt Bergneustadt ist finanziell nicht gut aufgestellt und ihr Zuschuss steht nur für 1/5 unserer Einnahmen.
Die Idee, das Museum für Hochzeiten zur Verfügung zu stellen, ist in mehrfacher Hinsicht ungemein wichtig geworden.
Auf diese Weise lernt eine große Zahl von Menschen das Museum kennen und lieben. Sie haben gute Erinnerungen daran.
Gleichzeitig tragen unsere Ehrenstandesbeamten mit den Erlösen aus den Hochzeiten zur Hälfte zu unseren Einnahmen bei.
Der Heimatverein ist der größte Verein in Bergneustadt. Wir brauchen aber dringend mehr jüngere Mitglieder, die auch bereit sind, hier und da Aufgaben,
wie eine Führung oder eine Aufsicht am Sonntag im Museum, zu übernehmen.
Wir brauchen auch Personen, die demnächst als Vorstandsmitglied Verantwortung übernehmen.
Der Verein wird sich weiterentwickeln, wenn es gelingt, das Museumsangebot auch für Jüngere attraktiv zu halten. Der Verein und das Museum müssen lebendig sein.
Dafür braucht es Menschen, die das vermitteln können. Wir müssen aufpassen, dass wir in Bergneustadt nicht wichtige Institutionen wie das Schwimmbad
oder die Bücherei durch mangelnde Unterstützung oder fehlende Nutzung verlieren.
BiB: Was motiviert Sie und Ihre Vereinsmitglieder, sich so stark für das kulturelle Erbe und die Gemeinschaft von Bergneustadt einzusetzen?
Und wie könnte sich die nächste Generation stärker einbringen?
Walter: Mir war es wichtig, etwas von meinem beruflichen Erfolg an Bergneustadt zurückzugeben. Alle Vereinsmitglieder wollen den Zusammenhalt im Ort stärken
und finden dabei Freunde sowie Anerkennung. Heimat gibt es nicht auf Bestellung. Heimat entsteht durch gemeinsames Erleben.
Junge Leute meiden oft solche Bindungen, klagen aber über Einsamkeit – das muss sich ändern. Handy weg und mitmachen! Wir freuen uns über jede Hilfe.
BiB: Wie sehen Sie die Zukunft des Heimatvereins und des Heimatmuseums?
Gibt es besondere Pläne oder Projekte, die Sie in den nächsten Jahren umsetzen möchten?
Walter: Wir haben zwei neue Museumsleiterinnen, die sich zunächst einfinden müssen.
Wir gehen aber davon aus, dass sie neue Impulse für den Fortbestand des Heimatmuseums setzen werden.
Unser größtes Zukunftsprojekt ist der geplante Anbau des Heimatmuseums mit einem Vielzweckraum für 80 Personen, Nebenräumen, Archivräumen und
dringend benötigten behindertengerechten Toiletten. Sieben Jahre Arbeit stecken bereits in dieser Idee.
Nun wollen wir einen dritten Anlauf zur Realisierung wagen, doch ob es gelingt, bleibt ungewiss – es fühlt sich an wie eine endlose Sisyphusaufgabe.
BiB: Vielen Dank Herr Walter für das Gespräch.